Auf der Rin-Con in den Niederlanden konnte ich mir ja die Printfassung von Tea & Toadstools sichern (siehe Blogbeitrag). Auf deren Homepage gibt es nicht nur eine digitale Fassung, die mit 9 € zwar immer noch verhältnismäßig teuer ist, aber erstens kein Vergleich zur obszön bepreisten 15-€-Variante der 10 A5 Seiten im Heft und zweitens erhält man neben der englischen Fassung dann auch noch ein spanisches und deutsches PDF! Wen das folgende also überzeugt, dem sei der Klick auf den Link zur Seite der Autorin und zur digitalen Fassung geraten.
In dem Spiel verkörpert man einen missmutigen, anthropomorphen Igel, der eigentlich gerne seinen Tag abschließen und mit einem Tee im Garten sitzen würde. Aber es gibt noch einiges zu tun, vor allem dank der Nachbarn, die ebenfalls anthropomorphe Tiere sind. Dazu platziert man ein halbes Pokerdeck, in einem Feld aus 4 x 6 Karten auf einem Tisch und deckt nach und nach Karten auf, während man durch den Tag geht und hofft, dass man die Karo-Dame findet, um sich in Ruhe hinsetzen zu können, bevor einem die Ressource (Zeit, Nerven, Sonnenlicht, etc.) ausgeht. Jede aufgedeckte Karte ist ein „cozy“ Ereignis, das Ressourcen bringt oder kostet und ab und zu auch genauere Details durch den Spieler erfordert, sofern man das zugrundeliegende Konzept des Tagebuchspiels nutzt und die Ereignisse aufschreibt. In Ermangelung einer Igel-Figur habe ich für das Testspiel eine gehäkelte Mochi-Katze von Ninas Fadenspiel genutzt, die gerade grifffbereit war, um die Position meines Charakters festzuhalten.

Wir starten unten links und können dann eine beliebige angrenzende Karte umdrehen, im Heft nachschauen was passiert und es im Tagebuch ausschmücken oder eben weiterziehen.
- Eine Bewegung von oben erschreckt mich und ich rolle mich zu einer Kugel zusammen. Wieso fiel ein Schatten an einem so sonnigen Tag auf mich? Welcher Gefahr bin ich entronnen? Wieso tut der Bürgermeister nichts, um unsere Nachbarschaft zu schützen? -1 Ressource
- Herr Fuchs kommt mit Kräutertee vorbei und ich entspanne mich mit der Mischung im Garten in der Sonne. Sieg.
Ähm ja, Karte 2 von 22 war zufälligerweise bereits die Zielkarte zum Ende des Tages / Spiels. Vielleicht noch eine Runde, da dies schwerlich repräsentativ war.
Also … Tag 2
- Dier Maus (Mx. Mouse / them im Original) bringt mir Blaubeermuffina mit Zitronenglasur vorbei und wir teilen uns das süße Gebäck. Niemand backt besser in der Umgebung! +1 Ressource
- Ich sehe, dass der Rotkardinal sich humpelnd auf dem Weg zu Dr. Waschbär befindet. Eigentlich möchte ich meine Ruhe, aber er scheint die Hilfe wirklich zu benötigen, daher unterbreche ich meine Tätigkeiten und bringe ihn hin. -2 Ressourcen
- Apropos Waschbären! Eine Gruppe junger Waschbären ist in die Straße gezogen und grillt laut quatschend bis spät in die Nacht in ihrem Garten! Ich habe sie zur Rede gestellt und auf die Gemeindeordnung hingewiesen, sowie an ihren Gemeinschaftssinn appelliert. Die anderen Nachbarn werden mir sicher danken. +1 Ressource
- Meine übliche Wanderroute wurde vom neuen Verlauf des Baches unterspült und ich werde nass, während ich mir meinen Weg bahne! Sehr ärgerlich, da muss man doch etwas tun können?! -1 Ressource
- Auf dem Rückweg gerate ich in die Straßenfeier, die ich ganz vergessen hatte! Wie peinlich, denn ich war ebenfalls eingeladen und suche nun nach Ausreden, um mich der Situation zu entziehen. Sicher haben die anderen Verständnis, wenn ich mich mit Bezug auf meinen Garten davon mache. -1 Ressource
- Ah, natürlich! Frosch fiel vom Dach, als er eine Fliege fangen wollte und ich verabschiede mich, um nach ihm zu sehen. Seine mäandernden Geschichten sind ermüdend, aber immerhin ist er nur eine Person und keine Feier. -1 Ressource
- Glücklicherweise erkenne ich Frau Ente durch das Fenster, meine beste Freundin, die bereits nach mir gesucht hat, damit wir endlich einmal das Insektenhotel zusammenbauen und aufhängen, das sie mir vor einigen Wochen geschenkt hat. Ich verabschiede mich vom Frosch und wie üblich ist die hinausgezögerte Aufgabe schnell erledigt, aber es gibt Neuigkeiten auszutauschen. -1 Ressource
- Herr Fuchs gesellt sich zu uns und bringt eine aktualisierte Mischung Kräutertee, die wir gemeinsam genießen, während wir die letzten Strahlen der Sonne betrachten. Sieg
Tea & Toadstoals ist kein Spiel. Der Pitch, dass man einen grummeligen Igel verkörpert, der nur das Ende seines Tages erreichen möchte, ist auch nur bedingt korrekt. Der Igel ist eigentlich sogar ein sehr aktives Mitglied seiner Gemeinde, aber es gibt zu keinem Zeitpunkt Entscheidungen zu treffen, die Erkundung der Karten erfolgt rein zufällig und auf den Karten gibt es kein entweder / oder, das Konsequenzen hätte und auch keine Mechanik, um die Entscheidung dann durch zufällige oder fähigkeitsbasierte Aktionen zu beeinflussen. Die Wretched von Obscurati Publishing war aus meiner Erfahrung zwar auch ein Tagebuchspiel, aber durch die Dramatik der Situation und vor allem durch die Problembewältigung über das Jenga-Spiel, war die Verkörperung einer anderen Person im Spiel wesentlich greifbarer und für mich sogar überraschend mitreißend und emotional. Zwar dachte ich bei Tea & Toadstoals immer mal wieder, dass die Verkörperung eines konservativen, ländlichen Igels eine interessante Sache wäre und habe auch versucht, die Einträge entsprechend zu gestalten, aber das ist mir hier weit weniger gelungen als in den Videoeinträgen als Raumschifftechniker. Auch ist dieses Indi-Spiel viel zu kurz, um wirklich in den Charakter zu finden aus meiner Sicht. Oder vielleicht gelang es mir nur einfach nicht, weil das ganze Konzept des Tagebuchschreibens mir so fremd und unzugänglich ist.
Was aber aus meiner Sicht viel schwerer wiegt, ist die fehlende Interaktion mit dem Spiel. Ich kann nur Zufallsereignisse generieren und diese abarbeiten, indem ich wie beschrieben Ressourcen entferne oder hinzufüge. Durch den Zufallsfaktor ist es natürlich möglich, dass einem die Ressource tatsächlich ausgeht und man “verliert”, aber daran hat man dann ebenso wenig Anteil, wie am “Sieg”, wenn man die Karo-Dame erreicht. Theoretisch kann man die 22 Karten auch nach und nach von einem Deck ziehen, die Bewegung auf dem Muster ist irrelevant. Da es keine Ebene der Entscheidung gibt, ist es eigentlich nur ein Generator für Zufallsbegegnungen für andere Spiele oder für die Erschaffung von gemütlichen Dorfgeschichten mit anthropomorphen Tieren, aber es ist kein Spiel und ich sehe mich auch nicht unter dieser Prämisse zu Tea & Toadstools zurückkehren.